China

Dienstag, 25.10.2016 – Kashgar

Als wir am Mittag auf der Torugart Passhöhe ankommen haben die Chinesen das Grenztor bereits geschlossen. Unser chinesischer Guide Adiljan, der auf der anderen Seite des Tores bereits auf uns wartet, erklärt uns, dass wir nun bis vierzehn Uhr warten müssen, was bei minus sieben Grad, Wind und leichtem Schneetreiben nicht unbedingt angenehm ist. Deshalb ist es für uns unverständlich, dass die Tourleitung uns nicht vorgängig über diese lange Mittagspause informierte und erst noch den Treffzeitpunkt von halb elf auf halb zwölf verschoben hat. Das Tor wird dann auch noch erst um viertel vor drei wieder geöffnet, was uns keinen sonderlich guten ersten Eindruck der Chinesen vermittelt. Was uns ebenfalls verblüfft ist die Tatsache, dass die Strasse auf chinesischer Seite mit vielen Teerschäden wesentlich schlechter ist. Dank steigender Temperaturen mit sinkender Höhe springt der Landy der Engländer nach rund Hundertzwanzig Kilometern Schleppen wieder an und wir können ihn von der Leine lassen. Unterwegs müssen wir mehrere Checkpoints passieren und immer wieder wird auch das Fahrzeuginnere kontrolliert. Schliesslich kommen wir nach Toba, der offiziellen Einreisestation nach China. Natürlich sind wir auch hier etwas spät dran und es heisst, wir müssten ein bis zwei Stunden warten, bis der Zoll wieder öffnet. Schliesslich geht die Einreiseprozedur dann doch bereits nach einer halben Stunde los und als erstes kriegen wir unsere Pässe gestempelt. Dann verkündet die Quarantäne, dass die Einfuhr aller frischen Nahrungsmittel verboten ist, was uns natürlich gerade so schockiert wie die Sache mit den Gasflaschen in Kirgisistan. Eine entsprechende Vorwarnung durch die Reiseagentur wäre da durchaus hilfreich gewesen. So opfern wir unsere Bananen, die wir noch schnell am Zoll verdrücken, Rüebli, Gurken und ein angebrauchtes Stück Parmesan, um den Rest unserer Vorräte in Kühlschrank und Tiefkühler zu retten, was uns überraschenderweise auch gelingt. Bei der Fahrzeugkontrolle sehen sie ein, dass sie nicht wirklich alles kontrollieren können und so bleibt unser Satellitentelefon, nach dem mehrere Male explizit gefragt wird, unentdeckt. Offensichtlich wollen sie die total Kontrolle über die Kommunikation, was bei einem Sat-Fon schlicht nicht möglich ist. Absurderweise müssen wir nach der Kontrolle am Fahrzeug trotzdem noch ein Gepäckstück zur Kontrolle bringen, das dann bei uns zwei doch nicht durchsucht wird. Nachdem wir die Einreise geschafft haben fahren wir zu einem Zollhof, in dem wir Obelix, den VW-Bus und den Landy abstellen müssen, denn wegen der späten Absage der Tour durch unseren Motorradfahrer sind die Einfuhrpapiere für die Fahrzeuge noch nicht bereit. Auch dies ist eine Information, die wir gerne früher gehabt hätten. So packen wir in aller Eile ein paar wenige Sachen und fahren eine gute Stunde als Passagiere nach Kashgar in unser Hotel. Zum Glück ist es draussen bereits dunkel, sodass wir nicht sehen, wie der Fahrer Kurven schneidet und überholt. Das grosse Hotel ist gar nicht so bescheiden wie Isabella befürchtet hat, aber der Versuch im Hotel noch etwas zwischen die Zähne zu bekommen scheitert kläglich, denn um neun sind die Restaurants bereits geschlossen. So begnügen wir uns halt mit ein paar Spanischen Nüssli und einem Bier, bevor wir nach diesem langen, anstrengenden, spannenden und manchmal auch mühsamen Tag auf den harten Betten einschlafen.

Mittwoch, 26.10.2016 – Kashgar

Trotz der harten Betten schlafen wir lange genug um auch das Frühstücksbuffet, das nur bis um neun Uhr angerichtet ist, zu verpassen. So suchen wir uns halt ausserhalb des Hotels etwas Essbares. Dabei gehen wir an der grossen Mao-Statue vorbei und am gegenüber­liegenden, abgeriegelten Platz des Volkes, auf dem nur Polizei in Einsatzmontur mit ihren blinkenden Kampf­fahrzeugen steht. In der an den Platz anschliessenden Bank of China können wir unsere übriggebliebenen kirgisischen Som in Yuan umwechseln, witzigerweise aber nicht am Schalter, sondern bei in der Schalterhalle herumhängenden älteren Herren. Dann spazieren wir zum alten Viertel von Kashgar, das wir eigentlich eher aus Zufall entdecken. Es liegt fast etwas versteckt hinter der grossen Hauptachse durch die Stadt, und die Gassen und Strassen sind von vielen interessanten, kleinen Läden gesäumt. Offensichtlich wird dieses Quartier vor allem dem Tourismus zuliebe erhalten, wir sehen jedenfalls recht viele Chinesen, die nach Touristen aussehen. Leider haben wir keine Kamera dabei, denn die haben wir gestern bei Obelix gelassen, in der Annahme, dass wir unser Fahrzeug heute Vormittag wiederhaben würden. Stattdessen sollen nun die Fahrer um vierzehn Uhr zur Abholung bereit sein, aber es wird effektiv vier, bis sie die Stadt nach einer Irrfahrt endlich Richtung Toba verlassen. Obwohl sie auf dem Weg dorthin wegen einer Strassensperre noch einen Umweg fahren müssen, gibt es am Zollhof dann trotzdem wieder eine Wartezeit, bis der Zöllner zwecks Kontrolle der Fahrgestellnummer eintrifft. Um viertel vor sechs Uhr, kurz vor dem Eindunkeln, geht die Rückfahrt mit Obelix endlich los, nur um fünf­zehn Kilometer später erneut auf eine gesperrte Strasse zu treffen, diesmal wegen eines Unfalls. Also zurück nach Toba und dort auf die Autobahn, die ebenfalls nach Kashgar führt, nun aber alles im Dunkeln. Zum Glück gibt es in der Stadt eine gute Strassenbeleuchtung, denn der Verkehr ist recht hektisch und die allgegenwärtigen, langsamen Elektroscooter fahren alle ohne Licht. Pinkfarbener Elektro-Scooter Um viertel vor acht sind die Männer von ihrer Odyssee zurück und Isabella empfängt Obelix und Thomas mit grosser Erleichte­rung, denn von unserem Guide Adiljan erhielten die Frauen selbst auf Nachfrage keine Antwort und die Tourleitung meldete sich erst bei Ankunft der Fahrzeuge. Wir parkieren Obelix im Innenhof des Hotels, in dem Ablimit, der Chef unseres Touroperators (Kashgar New Land International Travel Service) bereits darauf wartet, dass wir ihm die restlichen eintausend US-Dollar, nach einer Anzahlung von dreihundert via Banküberweisung, bezahlen. Mit Mia und Brecht gehen wir anschliessend in dasselbe Fastfood-Lokal, in dem wir am Morgen schon ein Fried Rice verdrückt hatten und alle sind zufrieden mit dem leckeren Essen, auch wenn das Ambiente im Lokal nicht unbedingt heimelig ist. Zurück im Hotel organisiert Thomas, nachdem er ausgerechnet hat, wieviel Diesel wir morgen tanken werden, chinesische Noten aus einem ATM und als Bettmümpfeli schauen wir uns im Fernsehen noch einen Film an.

Donnerstag, 27.10.2016 – Taxkorgan

Ein grauer Oktobermorgen in Kashgar Chinesisch angeschriebene Läden an Kashgars Hauptstrasse Heute sind wir für das chinesische Frühstücksbüffet früh genug dran, denn um neun Uhr sind wir schon abfahrbereit. Wir haben bis Taxkorgan rund dreihundert Kilometer vor uns; für uns eine lange Strecke, die aber gut zu schaffen sein sollte. In der Stadt tanken wir noch etwas vom zwar teureren, gemäss unserem Guide aber winterfesten, chinesischen Diesel. Das Wetter ist trist, wir fahren unter einer Dunstglocke, die Sichtweite beträgt nur einige hundert Meter. Gut, dass wir auf dem Karakorum Highway nur vierzig fahren dürfen, aber so könnte das noch ein langer Tag werden. Gemüsehändler mit seiner Motorikscha unterwegs Alter Uigure mit seinem Eselsgespann als Geisterfahrer Der Guide fordert uns dann auch mehrmals auf schneller zu fahren, die 40km/h Beschränkung für Lastwagen würde für Ausländer nicht gelten. Wer’s glaubt... Um halb elf Uhr machen wir in Opal bereits Mittagshalt, denn unser Guide scheint nach der offiziellen Peking-Zeit zu gehen, während unsere Uhren immer noch die kirgisische Zeit, die auch die inoffizielle Zeit in Kashgar ist, zeigen. Immerhin dürfen wir danach offiziell achtzig fahren, abgesehen davon, dass wir bis nach Bulungkol meistens auf einer ganz üblen Baustellenpiste fahren müssen, denn die neu gebaute Strasse ist noch nicht überall fertiggestellt und dem entsprechend kommen wir eher noch langsamer voran. Schlechte Baustellenpiste Imposant: Der Kongur Shan Linkerhand erhebt sich gut 7’700m hoch der imposante Kongur Shan, überzogen von Eis und Schnee. Bald danach folgt der 7’550m hohe Mustagh Ata, den wir bereits in Murghab, am tadschikischen Pamir Highway, in der Ferne bewundern konnten. An seinen Flanken fliessen Gletscher fast bis zu uns, die wir einen kurzen Fotostopp am hiesigen Karakol See machen, hinunter. Weiter geht es eine breite Ebene hinauf an deren Ende wir noch einen kleinen Rücken erklimmen müssen, den mit 4’100m höchste Punkt am heutigen Tag, den Ulugrabat Daban Pass. Baustellen-Tanklastwagen mit Eiszapfen Mustagh Ata, übersetzt der Vater der Eisberge Nachdem wir wieder eintausend Meter auf perfekter Strasse vernichtet haben, kommen wir zu unserem Tagesziel. Das Hotel in das wir einchecken sieht eigentlich noch recht gut aus, aber die Zimmer sind nicht geheizt und warmes Wasser gibt es auch keines. Die Angestellten verstehen kein Englisch, oder wollen es nicht verstehen, und unser Guide ist auch schon verduftet. Das lässt unsere Hoffnung, dass dies nach dem Nachtessen gebessert hat, an einem kleinen Ort. Wir sechs gehen zusammen ins Zentrum von Taxkorgan in einem relativ gediegenen Restaurant essen. Unsere Reisegruppe am Karakol See Der 6’858m hohe Kokoser Tagh, ein Nebengipfel des Mustagh Ata Thomas’ Schaschlik ist leider von der Fleischqualität her zum Vergessen, dafür ist Isabellas Fleisch mit Gemüse ganz lecker. Zurück im Hotel hat sich wie befürchtet, oder erwartet, in Punkto Wärme nichts geändert. Aber warum sollen wir hier frieren wenn wir im MGD eine effektive Heizung haben? Wir checken einfach wieder aus und zügeln zurück zu Obelix. Trotz der Kälte draussen, und auch drinnen dauert es etwas bis es warm wird, genehmigen wir uns noch ein Bier vor dem Schlafengehen.

Freitag, 28.10.2016 – Sost (Pakistan)

Kältebedingter weisser Rauch beim Starten des VW-Bus Hauptstrasse in Taxkorgan Mit unserer Heizung, die wir die ganze Nacht laufen lassen, schlafen wir natürlich wunderbar, und auch Obelix kriegt am Morgen noch seinen Motor vorgewärmt. Um sieben Uhr stehen wir auf, stärken uns mit Kaffee und Cerealien und sind dann pünktlich um zehn vor neun Uhr abfahrbereit. Los geht es dann aber erst eine gute halbe Stunde später, denn in der Hotellobby gibt es eine hitzige Diskussion mit unserem Guide wegen einer Rückerstattung für die katastrophale Unterbringung. Wir wollen mit dem Chef persönlich sprechen, aber dies lässt Adiljan nicht zu und auf ein SMS reagiert Ablimit auch nicht. VW-Bus und Land Rover vor uns auf der Strasse Richtung Süden Der 6’361m hohe Lyavirdyr Tagh südlich von Taxkorgan Schliesslich bekommen wir einhundert Yuan vergütet, eine ziemlich magere Abspeisung dafür, dass wir im ganzen 1’300 USD bezahlt haben. Aber der Guide spielt uns gegen die Zeit aus, denn wir müssen ja heute unbedingt über den Khunjerab Pass nach Pakistan, weil der Grenzübergang am Wochenende geschlossen ist. Spätestens jetzt ist unsere Zufriedenheit mit Kashgar New Land International Travel Service an einem kleinen Ort und wir können diese Reiseagentur nicht wirklich weiterempfehlen. Laufende Informationen unterwegs gibt es, wenn überhaupt, nur auf Anfrage, und dann auch nur sehr spärlich, oder unvollständig. Ziegen werden am Strassenrand in einen Pick-up verladen Hier erklimmt der Karakorum Highway die 4’000er Marke Die Reiseleitung genügt sich in der Rolle eines reinen Administrators mit völlig ungenügender Kommunikation. Unsere China Transitreise hätte sonst um einiges angenehmer und stressfreier verlaufen können. So fahren wir denn zum Zollkomplex, der nicht sehr weit entfernt liegt. Hier wird die Chassisnummer kontrolliert und dann beginnt das grosse Warten. Während der Wartezeit verteilt uns der Guide die provisorischen, chinesischen Nummernschilder und die Fahrer kriegen ihre chinesischen Fahrausweise, was eigentlich ein Witz ist, jetzt, drei Stunden bevor wir das Land wieder verlassen. Was um Himmels Willen futtern die Yaks hier? Zahl- und namenlose Fünftausender im Grenzgebiet zu Pakistan Dann geht’s einen Zoll weiter zur Immigration, wo das Stempeln der Pässe den zuständigen Beamten seinem wiederholten Seufzen nach zu beurteilen ziemlich hernimmt. Wieder müssen wir ein Gepäckstück zum Scannen bringen, aber diesmal sind die Beamten mit der Menge der Ware, die wir anschleppen, unzufrieden und wollen, dass wir alles herbringen. Isabella erklärt unserem Guide, dass es Stunden dauert wenn wir das Fahrzeug ausräumen müssen und er solle doch den Beamten sagen, dass sie zum Fahrzeug kommen und sich die Dinge da ansehen sollen. Da aber gleich die Mittagspause beginnt wollen sie uns dann plötzlich loshaben und schicken uns mit einem Soldaten, der im VW-Bus Platz nimmt, auf den letzten chinesischen Abschnitt des Karakorum Highway. Auch auf über viereinhalbtausend Meter weiden noch Yaks Ziel erreicht: Der chinesische Torbogen auf dem Pass Es geht rund hundert Kilometer weiter Richtung Süden auf der immer leicht ansteigenden, guten Strasse. Entlang der Strecke weiden immer wieder Herden von Yaks. Schliesslich folgt eine letzte Steigung zum Khunjerab Pass, wo zweieinhalb Kilometer vor der Passhöhe der letzte chinesische Checkpoint ist. Nach einer gut halbstündigen Wartezeit dürfen wir alleine hinauf zum grossen Torbogen fahren, den die Chinesen dort aufgestellt haben. Unsere zwei GPS sind sich nicht ganz einig: das ältere sieht uns auf 4’718m, während das neuere mit 4’699m näher bei der publizierten Höhe liegt. Wie auch immer, für Obelix und uns ist dies natürlich ein neuer Rekord.

Zur Fotogalerie China