Ruanda

Samstag, 30.10.2010 – Cyangugu

Nach der Überquerung eines kleinen Flüsschens stehen wir auch schon am ruandischen Zoll. Der Immigrationsbeamte kommt gleich zur Sache: Ohne Visum könnten wir nicht nach Ruanda einreisen. Wir haben erst vor kurzem erfahren, dass Ruanda die Handhabung der Visa geändert hat und nun im Gegensatz zu früher keine Visa mehr an der Grenze ausstellt, respektive nur noch nachdem ein Antrag per Internet gestellt wurde. Wir machen auf ahnungslose Touristen und nachdem der Beamte uns noch etwas zusammengestaucht hat greift er schliesslich doch zum Telefon um seinen Vorgesetzten zu fragen, was er nun mit uns machen soll. Nach einigen weiteren Telefonaten dürfen wir schliesslich doch je 60 US-Dollar abdrücken und bekommen ausnahmsweise das Visum für 14 Tage doch in den Pass gestempelt, mit dem eindringlichen Rat, das nächste Mal das Visum im voraus zu besorgen. Die Abwicklung der Carnets hingegen ist völlig problemlos und dann sind wir endlich wieder unterwegs. Einige Kilometer später beginnt die Strasse nach Bugarama spektakulär in die Berge zu klettern und eröffnet fantastische Ausblicke ins tiefgrüne Tal hinunter. Die Hänge sind durchgehend mit irgend etwas bepflanzt und auch hier sehen wir vor allem Bananen-, etwas weniger Kaffee- und auch Teestauden. Wir steigen bis auf 1’800m bevor wir gegen den Lake Kivu hin wieder etwas absinken. Inzwischen haben sich einige dunkle Wolken zusammengezogen und wir kriegen für einmal einen richtigen Schauer ab. Cyangugu am Südende des Kivusees besteht eigentlich aus zwei Orten. Cyangugu selbst, das auf den Strassenschildern als Rusizi angeschrieben ist, liegt an der Grenze zur D.R.C. am Ausfluss des Sees. Kamembe, etwas oberhalb gelegen, ist das Transport- und Geschäftszentrum, wo wir sogar einen Geldautomaten finden der die VISA-Kreditkarte akzeptiert. Mangels Alternativen übernachten wir im Peace Guesthouse der anglikanischen Kirche, das uns rekordverdächtige 30 US-Dollar für eine Übernachtung abknöpft. Dafür gibt es dann eine fürchterlich aussehende Dusche aus deren Duschkopf etwas kaltes Wasser tropft, ein WC in einem anderen Gebäude das nur zugänglich ist solange dessen Türe nicht verschlossen ist, und laute Musik aus dem fünf Meter neben uns stehenden Veranstaltungssaal. Immerhin wird es bereits um halb acht Uhr ruhig und wir können in Ruhe unsere Hacktätschli an der üblichen, feinen Pfeffersauce geniessen. Danach ist bei Thomas der Ofen aus. Alles bleibt unerledigt liegen und wir gehen für einmal etwas früher schlafen.

Sonntag, 31.10.2010 – Parc Nationale de Nyungwe

Für einmal sind wir wieder etwas ausgeruhter, die zusätzlichen Stunden Schlaf haben gut getan. Thomas muss noch etwas in die Tasten greifen, während sich Isabella über den Nyungwe Nationalpark in der Nähe schlau macht. In diesem grossen Überrest von Bergregenwald leben 13 verschiedene Affenarten, darunter Schimpansen. Ausserdem soll es viele Vögel zu sehen geben, genügend Gründe also um hinzufahren. Nach dem Frühstück und dem grossen Abwasch gehen wir noch schnell zur Rezeption hinauf, von wo man eine Tolle Sicht auf Bukavu am kongolesischen Ufer des Kivusees hat. Die Stadt erstreckt sich über mehrere Kilometer den Hängen über dem See entlang und macht einen fast mediterranen Eindruck. Es ist beinahe Mittag geworden bis wir losfahren, aber wir haben ja nur gut 50km auf Teer vor uns. Allerdings merken wir schnell, dass die Strasse auch schon in besserem Zustand war. Der Belag ist ziemlich kaputt, aber immerhin sind die Löcher gefüllt, wenn auch teilweise mit grobem Material. Die Landschaft ist weiterhin spektakulär, ab und zu haben wir Sicht auf den Kivusee. Bei Ntendezi wird gerade ein riesiger Platz planiert. Wir vermuten, dass hier ein Baucamp entsteht um die Strasse zu erneuern. Wenige Kilometer später kommen wir zum Büro der Nationalparkbehörde wo wir uns wegen dem Schimpansen-Tracking erkundigen. Es ist wie fast immer, die Preise sind wieder einmal erhöht worden. Allerdings nicht ganz so stark, dass wir gleich rechtsumkehrt machen. Auf dem Ausflug der morgen beim Uwinka Camp mitten im Park beginnt hat es noch Platz und so fahren wir dorthin. Unmittelbar am Parkeingang enden die letzten Teeplantagen und der Urwald beginnt. Die Strasse fängt an zu steigen und bald haben wir Aussicht über unberührte, bewaldete Täler. Ab und zu legen wir einen Fotostopp ein, so dass wir schliesslich insgesamt drei Stunden benötigen um das Camp auf fast 2’500m zu erreichen. Ein Ranger begrüsst uns und erklärt ganz kurz das weitere Prozedere. Wir machen mit ihm ab, dass wir später das Administrative erledigen, sprich das Geld vorbeibringen. Inzwischen richten wir uns ein und Thomas macht schnell einen Brotteig. Als wir anschliessend zum Empfang gehen müssen wir erst mal warten, denn ein Paar lässt sich des langen und breiten die verschiedenen Wanderwege erklären. Immerhin können wir währenddessen einige farbige Rwenzori Turacos beobachten. Der Ranger am Empfang, der nicht sehr gut englisch spricht, hat vom Administrativen offensichtlich keine grosse Ahnung, denn er drückt uns sogar ein Papier mit veralteten Preisen in die Hand. Er ruft den richtigen Rezeptionisten an, der dann noch bei uns vorbeikäme. Wir verabschieden uns wieder ins MGD ohne dass wir grosse Hoffnung haben, dass heute noch jemand kommt. Doch kurz nach 19 Uhr klopft es doch noch an die Tür und wir können unsere insgesamt 240 US-Dollar, die wir in Euro bezahlen, doch noch abladen. Das Brot ist inzwischen auch fertig gebacken und sieht gar nicht übel aus. Jetzt machen wir noch schnell einen einfachen Znacht damit wir möglichst bald ins Bett kommen, denn morgen früh um fünf Uhr dreissig müssen wir abmarschbereit sein.

Montag, 01.11.2010 – Hanika

Um vier Uhr geht der Wecker. Wir müssen zwar erst in eineinhalb Stunden bereit sein, aber wir wissen ja, dass wir am Morgen langsam sind und wollen damit ungesunden Stress vermeiden. Unser Guide Isah ist pünktlich zur Stelle und stattet uns je mit einem langen Gehstock aus. Er verkündet uns, dass wir mit etwa zwei Stunden Anmarsch rechnen müssen, das Fahrzeug aber hier im Camp stehen lassen können, was uns einer Sorge entledigt. Dann marschieren wir zügig los, zuerst 10 Minuten der Teerstrasse entlang bis wir in eine Waldpiste einbiegen. Wenig später treffen wir auf unseren Tracker, den Mann der ungefähr weiss wo die Schimpansen sind und uns zu ihnen führen soll. Wir biegen in einen schmalen aber instand gehaltenen Dschungelpfad ein, immer noch in einem für uns ungewohnt hohem Schrittempo. Wir fragen uns wofür wir eigentlich das schwere Vogelbuch mitschleppen. Wenig später stossen noch zwei weitere Tracker zu uns, von denen einer eine Maschinenpistole trägt. Bereits nach einer guten halben Stunde hören wir die ersten Schimpansen und das schon von ziemlich nahe. So schnell lassen sie sich dann aber doch nicht blicken und es dauert noch etwas, bis wir den ersten in einem Baum sitzen sehen. Die Freude dauert aber nur kurz, denn er fühlt sich beim Frühstück gestört und setzt sich in den nächsten, einen Stock tiefer gelegenen Baum ab. Wir stapfen nun quer durch das Unterholz. Das Gelände ist steil und das Vorankommen ziemlich anstrengend, auch wenn wir meistens bergab unterwegs sind. Genau jetzt löst sich doch tatsächlich am rechten von Thomas’ teuren Wanderschuhen von Lowa die Gummisohle ab; einfach so. Mittels eines Bändels aus Isahs Jacke können wir die Sohle so befestigen, dass sie nicht komplett abfällt. Sonst wär’s jetzt wohl vorbei mit dem Tracking. In der Umgebung ist eine ganze Gruppe von Schimpansen, aber jeder sitzt auf einem anderen Baum und so hören wir zwar viele, sehen aber immer nur einzelne von ihnen. Besonders eindrücklich tönt es, als der Chef der Schimpansentruppe Laut gibt und “den Baum schlägt“, was gemäss unserem Führer “runter von den Bäumen“ bedeutet. Trotzdem können wir später noch einem Schimpansen beim gemütlichen Futtern von Früchten zuschauen. Er sitzt auf einem exponierten Baum über dem Tal, was im Fernglas einfach phänomenal aussieht. Wenn wir nur ein stärkeres Teleobjektiv hätten... Die Zeit vergeht wie im Flug, so dass wir gar nicht merken, dass wir schon beinahe vier Stunden unterwegs sind. Wir sind zwar nie wirklich auf Armlänge in die Nähe gekommen, aber es war toll die Schimpansen in ihrer natürlichen Umgebung beobachten zu können. Nachdem wir im Verlauf der Verfolgung fast dreihundert Meter ins Tal abgestiegen sind haben wir etwas Respekt vor dem Rückweg, vor allem wenn wir durchs selbe Dickicht wieder hinauf müssen. Aber der Guide führt uns in Kürze auf einen guten Pfad und erklärt uns unterwegs noch einige Pflanzen, Bäume und deren Nutzen. Wir sehen auch noch zwei Turaco-Arten: Great Blue Turaco und die etwas kleineren, eher grünen Black-billed Turaco. Auf dem Rückweg löst sich dann auch noch Thomas’ andere Schuhsohle; ein Totalverlust... Nach fünf anstrengenden aber schönen Stunden sind wir zurück bei Obelix. Die 90 US$ pro Person für den Ausflug haben sich gelohnt, auch wenn es unser Budget arg strapaziert. Verglichen mit den 500 US$, die das Gorilla-Tracking in Ostafrika kostet, ist es jedenfalls fast schon günstig. Wir sehen uns dann noch in aller Ruhe die kleine Ausstellung über den Nyungwe Nationalpark an bevor wir uns endlich über unser wohlverdientes Frühstück hermachen. Es gibt ja feines Vollkornbrot und zur Feier des Tages, Thomas hat heute morgen mit den Schimpansen schon sein Geburtstagsgeschenk bekommen, gibt es ausnahmsweise am Montag etwas Honig und erst noch Ovomaltine dazu. Gestärkt machen wir uns um viertel nach ein Uhr auf den Weg, denn noch eine Nacht hierzubleiben können wir uns bei 60 US$ einfach nicht leisten. So steuern wir am Rande des Parks ein Gästehaus auf einer Teeplantage an, leider nur um feststellen, dass dieses inzwischen von der Nationalparkbehörde übernommen wurde und dadurch für uns preislich nicht mehr in Frage kommt. So entschliessen wir uns einfach unser nächstes Ziel Kibuye am Kivusee anzusteuern, auch wenn wir wissen, dass wir den Ort heute sicher nicht mehr erreichen werden. Die Fahrt führt über eine manchmal recht ausgewaschene Piste und wir kommen natürlich nicht sehr schnell voran. Leider ist der Himmel bedeckt, sonst wäre die wunderbare Aussicht die wir immer wieder auf den See haben richtig idyllisch. Nach zehn Kilometern treffen wir auf ein Restaurant, das gemäss seiner Hinweistafel auch Camping anbietet. Doch leider versperrt uns ein Kabel die Einfahrt auf den kleinen Platz auf den wir uns stellen könnten. In Ruanda ist es unmöglich ein Buschcamp zu finden, denn das Land ist so dicht bevölkert, dass ausserhalb von Nationalparks innert Sekunden die ersten Kinder auftauchen sobald man anhält. So sind wir erfreut, als wir uns wenige hundert Meter weiter auf Anfrage hin in das umzäunte Areal der Distriktverwaltung stellen dürfen. Doch wenige Minuten später klopft es an die Tür und der Sekretär des Bürgermeisters erklärt uns, dass das nicht erlaubt sei, wir uns aber auf den Fussballplatz zehn Kilometer weiter nördlich stellen könnten. Na super, schon wieder ein halbe Stunde verloren und den Fussballplatz können wir auch vergessen, denn wir wollen ja nicht als Abendattraktion der Bevölkerung herhalten. So fahren wir einfach zu, immer nach Kirchen Ausschau haltend. Kurz vor Einbruch der Dunkelheit finden wir in Hanika schliesslich eine katholische Kirche auf einem Hügel wo wir bleiben dürfen. Bis wir uns endgültig hingestellt haben ist es aber schon ganz dunkel, denn Abbé Gilbert macht es Spass, sich mit uns ein Weilchen zu unterhalten. Müde vom langen Tag wünscht sich Thomas nichts mehr, als einen Wurst/Käse-Salat, den wir mit den Cervelats aus Bujumbura und südafrikanischem Gouda machen. Es schmeckt gar nicht übel. Eine kleiner Stilbruch lässt sich dabei nicht vermeiden, denn zu Thomas’ Geburtstag stossen wir dazu mit einem Gläschen feinem Pongrácz an.

Dienstag, 02.11.2010 – Hanika

Als wir nach einer ruhigen Nacht aufstehen ist es draussen grau und ab und zu pochen einige Tropfen auf unser Dach. In der nahen Kirche wird eine Messe abgehalten und deren Gesänge wehen über den Platz in unser MGD. Das Wetter lädt nicht zum Weiterreisen ein und ein Pausentag würde uns gut tun. Darum fragen wir Abbé Gilbert ob wir vielleicht heute hier bleiben dürfen. Wir dürfen, aber irgendwie werden wir das Gefühl nicht los, dass der zweite Pfarrer, dessen Namen wir nicht kennen und der uns so gut wie möglich ignoriert, nicht gerade begeistert ist. Wie auch immer, Abbé Gilbert lädt uns zu einem Schwatz ein und zeigt uns ihre Wirkungsstätte samt Kuhstall bevor er mit seinem Kollegen zu einer Versammlung in Cyangugu aufbricht. Wir sehen uns noch die Kirche und die Gedenkstätte für den Genozid von 1994 an. Allerdings haben wir keine Lust unbegleitet zu nahe zu treten, denn die in den Fenstern stehenden Schädel sehen auch aus einigen Metern Distanz nicht gerade einladend aus. Wir wissen es zwar nicht genau, aber unsere Vermutung ist, dass wir Obelix genau neben das Massengrab gestellt haben. Wir verziehen uns wieder ins MGD und hoffen am Laptop auf andere Gedanken zu kommen. Allerdings währt die Ruhe nicht lange, denn draussen machen sich ein paar Kinder unangenehm aufdringlich bemerkbar. Thomas geht nach draussen um sich mit den Bengeln abzugeben. Das ist allerdings nicht ganz einfach, denn nur die Anführerin, eine Fünftklässlerin, kennt einige wenige englische Wörter, zu wenig um sich vernünftig zu verständigen. Manchmal ist es ganz lustig, immer wieder aber auch frustrierend, denn alles wollen sie haben. Give me dies, give me das... Sie können ihre Finger nicht von unserem MGD lassen, bis drinnen Isabella ob all dem Geklopfe und Gekratze der Kragen platzt. Wir versuchen ihnen klar zu machen, dass wir nun unsere Ruhe wollen und verziehen uns ins MGD. Das funktioniert natürlich nicht, denn nun beginnen sie draussen erst recht zu reizen. Die Kinder geben erst Ruhe und verschwinden als wir uns bei einer Schwester in der zur Pfarrei gehörenden Klinik beschweren. Am Nachmittag zieht ein richtiges Gewitter auf und danach regnet es mehr oder weniger durchgehend bis in den Abend hinein. Mal schauen wie morgen die weiteren sechzig Pistenkilometer bis Kibuye aussehen. Wir tun noch etwas fürs Gemüt und bräteln die währschaften “Teigwaren mit Schinken Karonga“, die wir mit einem Tomatensalat vertilgen. Zusammen mit einem Schluck Cabernet Sauvignon scheint es zu helfen.

Mittwoch, 03.11.2010 – Kibuye

Heute sieht das Wetter wieder etwas freundlicher aus, gerade richtig für die Weiterreise. Wir sind gerade dabei zusammenzuräumen als die ersten Kinder von gestern wieder auftauchen. Sie sind aber noch ganz artig, vielleicht hat man ihnen gestern doch die Leviten gelesen. Wir machen uns unter genauester Beobachtung abfahrbereit und verabschieden uns dann bei der Schwester die uns vorgestern freundlich empfangen hat mit einer Spende. Als wir den Motor starten präsentiert uns die junge Anführerin ein Stück Zuckerrohr als Abschiedsgeschenk. Es ist trotz dem Ärger den wir gestern mit ihnen hatten doch rührend und jetzt geben wir ihnen auch gerne ein paar leere Petflaschen, nach denen sie gestern noch imperativ mit “give me!“ verlangt hatten. Die Piste führt weiter durch die Hügel dem Kivusee entlang. Meist haben wir Sicht auf den pittoresken See, der mit seinen vielen verästelten Buchten den Charakter eines Stausees hat, es aber nicht ist. Dank Sonnenschein geniessen wir die Bilderbuchlandschaft und es stört uns auch nicht gross, dass die Piste nun noch schlechter ist. Immerhin scheint der Regen von gestern auf sie keine grossen Auswirkungen gehabt zu haben, was zu unserer guten Laune beiträgt. Wir finden sogar tatsächlich einen Flecken Erde wo wir unser Abwasser entsorgen können, ohne dass wir innert 30 Sekunden von einer Schar Kinder umgeben sind. Die versuchen sich immer wieder an den hochgeklappten Unterfahrschutz zu hängen, die grösseren manchmal auch darauf zu klettern, was wir entweder mit einem Schnellstopp der sie davonstieben lässt, oder mittels kurzer Tempoverschärfung zu verhindern versuchen. Nach fünf Stunden kurvenreicher Berg- und Talfahrt erreichen wir Kibuye dank der zeitigen Abfahrt schon am frühen Nachmittag. Mangels ausgewiesener Campingmöglichkeiten klappern wir verschiedene Hotels und Gästehäuser ab. Als letztes probieren wir das Home Saint Jean, das Gästehaus der Diözese Nyundo, das etwas hinter der Kirche und dem Genozid-Denkmal steht. Die Lage auf einer kleinen Halbinsel über dem See ist toll und wir können Obelix auf dem Kiesparkplatz mit einer wunderbaren Sicht parkieren. Wir nehmen ein Zimmer für umgerechnet dreizehn Franken, das uns Zugang zur inzwischen nötigen Dusche garantiert. Nach dem verdienten Bier, das draussen von einem kühlenden Schauer begleitet wird, und der Dusche lassen wir uns von der eifrigen Crew unplanmässig zum Nachtessen im Restaurant überreden. Wir bestellen beide Barsch, denn wir hatten schon länger keinen Fisch mehr. Länger geht es auch bis der dann auf dem Tisch steht, mit über einer Stunde etwas arg lang. Dafür kriegen wir einen übervollen Teller dessen Inhalt bis auf die bereits erkalteten Bratkartoffeln ganz gut schmeckt. Dazu trinken wir vom ausser in Burundi auch in Ruanda gebrauten Primus Bier, das in den selben grossen Flaschen daherkommt. Danach scheinen die sechs Stunden am Steuer bei Thomas durchzuschlagen, denn er muss, als wir in unser MGD zurückgekehrt sind, die Wohnstube wieder einmal notfallmässig Richtung Schlafzimmer verlassen.

Donnerstag, 04.11.2010 – Kibuye

Heute legen wir einen typischen “Ruhetag“ ein. Wir machen ein bisschen von allem: gemütlich Kaffee trinken, am Laptop arbeiten, Vögel beobachten, die unterschiedlichen Stimmungen über dem See bestaunen, Brot backen, Pneus aufpumpen, noch mehr Kaffee trinken, etwas feines kochen, das Nachtessen geniessen und wieder einmal etwas spät ins Bett gehen.

Freitag, 05.11.2010 – Kibuye

Weil wir so spät schlafen gingen stehen wir auch etwas später auf, nur nicht so spät, dass wir wirklich ausgeschlafen sind. Heute scheint im Gegensatz zu gestern wieder die Sonne vom Himmel. Nach dem Frühstück machen wir uns auf, die Umgebung etwas zu erkunden. Die Kirche mit dem Genozid-Denkmal ist ja nur einige hundert Meter entfernt und an ihr kommen wir zuerst vorbei. Das Denkmal mit dem Massengrab davor sieht eigentlich auch nicht viel anders als das in Hanika aus. Es ist sogar eingezäunt, so dass man gar nicht auf die Idee kommt die Schädel und Knochen in den Fenstern näher zu betrachten. Wir gehen auch in die Kirche, die eigentlich ganz normal aussieht und deren farbige Fenster eine friedliche Stimmung verbreiten. Es ist schlicht nicht vorstellbar, dass genau in diesem grossen Raum vor gut sechzehn Jahren 4’000 Menschen die hier Zuflucht gesucht hatten bestialisch abgeschlachtet wurden. Wahrscheinlich wollen wir es uns auch nicht zu sehr vorstellen, denn das würde uns wohl ganz einfach überfordern. Als wir die Kirche wieder verlassen werden wir doch tatsächlich noch auf dem Platz davor von gut gekleideten Jugendlichen angebettelt. “You are rich, I am poor. Give me my money!“ Um ihnen verständlich zu machen was wir von ihrer Bettelei genau hier an diesem Ort halten reichen ihre Englischkenntnisse dann aber doch nicht aus. Irgendwie sind wir über dieses Verhalten extrem schockiert, denn was sollen wir davon halten, wenn Jugendliche, die sicher schon mitbekommen haben um was es beim Genozid geht, in einer Gedenkstätte nichts anderes sehen, als einen tollen Ort um Besucher anzubaggern. Im heutigen Ruanda wird alles unternommen um die Differenzen zwischen den Ethnien der Tutsi und Hutu zugunsten eines homogenen ruandischen Volkes zum Verschwinden zu bringen. Damit und mit der Erinnerung an die Massaker soll eine Wiederholung des Mordens von 1994 verhindert werden. Bei solchen Erlebnissen sind wir aber nicht sicher, dass die Anstrengungen wirklich etwas fruchten. Wir spazieren der Strasse entlang ins Zentrum von Kibuye, wenn man von so etwas wie einem Zentrum überhaupt sprechen kann. Unterwegs können wir noch einige Cinnamon-chested Bee-eater bewundern die offensichtlich in einer Erdhöhle im Strassenbord nisten. Im Städtchen ist heute grosser Markt und wir drängeln mit allen anderen durch die engen Reihen von Marktfrauen. Wir kaufen Tomaten, Zwiebeln, Bananen und Avocados die alle in unsere wohlweislich mitgebrachte Einkaufstasche wandern. In Ruanda sind die sonst in Afrika üblichen, ganze Dörfer verschandelnden Plastik-Einkaufstüten verboten. Das ist keine schlechte Idee, denn wir haben das Gefühl, dass es in Ruanda sauberer aussieht als in vielen anderen afrikanischen Ländern. Wir spazieren zurück zum Home St. Jean, gerade rechtzeitig bevor die Wetterküche zu brodeln anfängt. Die Wasseroberfläche des sonst ruhigen Kivusees zieren plötzlich weisse Schaumkrönchen und Obelix, der quer zum heranbrausenden Gewitter steht, wackelt ein paar Mal ganz schön. So richtig regnen will es dann aber wieder einmal doch nicht, die gröbsten Schauer ziehen offensichtlich über einen anderen Hügel und einen anderen Seearm. Am frühen Abend noch vor dem Eindunkeln genehmigen wir uns auf der Terrasse des Restaurants das Feierabendbier, ein würziges Mützig das in Ruanda in Lizenz gebraut wird. Zum Znacht machen wir es uns einfach in dem wir etwas Spiralen kochen und eine Jägersauce darunter mischen. Wir haben zwar noch gutes Fleisch im Kühlschrank, aber auf die Teigwaren und die Sauce hatten wir jetzt einfach Lust.

Samstag, 06.11.2010 – Kibuye

Es gefällt uns hier so gut, dass wir noch einen Tag anhängen. Es ist friedlich, wir haben eine schöne Aussicht und ab und zu kommen uns in den Büschen unter uns einige interessante Vögel besuchen. Heute sind das zum Beispiel die wunderbar schillernden Collared Sunbird und ein noch nie gesehener Baglafecht Weaver. Dazu haben wir heute richtiges Bilderbuchwetter, es sieht aus wie am Luganersee in der Schweiz. Trotzdem sind wir fleissig und kümmern uns unter anderem wieder einmal um die Reinlichkeit in unserer Wohnung. Ein Staubsauger ist da einfach Gold wert. Sonst versucht sich Thomas noch an einem Brotzopf. Dies deshalb, weil für einen richtigen Zopf das Ei fehlt. Sein Gebäck kommt aber ein bisschen flach heraus, da ist noch etwas tüfteln angesagt. Gewitterwolken sehen wir nur aus der Ferne und so genehmigen wir uns wieder ein spätnachmittägliches Bier auf der Restaurantterrasse. Dabei zeigt sich wieder einmal die Vorliebe der Mücken für Isabellas Blut, denn sie bekommt in der Abenddämmerung vier Stiche ab während Thomas einmal mehr unbehelligt bleibt. Isabella lässt sich aber nichts weiter anmerken und beglückt uns dann noch mit einem feinen Stroganoff das wir mit einem einfachen und selbst hier in Ostafrika günstigen Wein aus Südafrika, den wir gerne schon dort kennengelernt hätten, geniessen.

Sonntag, 07.11.2010 – Kigali

Der flache, eilose Zopf der eigentlich ein Brotzopf hätte werden sollen schmeckt zum Sonntagsfrühstück trotzdem ganz gut. Nach vier Tagen an diesem schönen Flecken packen wir zusammen um nach Kigali weiterzureisen. Die Strasse ostwärts nach Gitarama, die in unserem Reiseführer von 2006 als neu geteert beschrieben ist, glänzt schon mit dem einen oder anderen Loch im Asphalt. Es ist aber nicht tragisch und selbst Thomas kann die tolle Fahrt über die Hügel die uns bis auf 2’300m über Meer führt, geniessen. Ab Gitarama ist der Strassenbelag wieder tadellos, dafür ist der Verkehr dichter und die Landschaft nicht mehr ganz so interessant. Nach dreieinhalb Stunden kommen wir in Kigali an, das den Schwerverkehr auf eine Umfahrungsstrasse schickt. Konsequenterweise ist die Strasse ins Stadtzentrum von Lastwagenfahrverbotstafeln gesäumt die wir alle tapfer ignorieren. Wir steuern die Kirche Sainte Famille an zentraler Lage an, die gemäss Auskunft des Home St. Jean in Kibuye auch ein Centre d’acceuil führt. Der Platz ist ein wenig eng, aber auf einem angrenzenden Parkplatz neben der kircheneigenen Garage finden wir einen einigermassen ebenen Platz. Wir nehmen wieder ein Zimmer, gedenken dieses aber wie in Kibuye nicht zu benützen. Nachdem wir noch einen Ärger mit der Türbeleuchtung, respektive deren Kontaktschalter provisorisch behoben haben machen wir uns auf Entdeckungsreise. Als erstes steuern wir das nahe UTC-Shoppingcenter an wo es einen grossen Supermarkt gibt. Er ist der erste auf unserer Reise der rund um die Uhr geöffnet ist. Die Auswahl ist zwar nicht gerade mit einem Shoprite zu vergleichen, aber wir sollten das eine oder andere das wir benötigen finden. Die integrierte deutsche Metzgerei hält einem Vergleich mit der “Boucherie Nouvelle“ in Bujumbura zwar bei weitem nicht stand, dafür scheint die Bäckerei gute Brote zu führen, darunter eines das genau wie unser gutes, altes Pfünderli aussieht. Eigentlich wollten wir noch das nahe Hotel des Milles Collines besuchen, das bei den Ereignissen von 1994 dank dem couragierten Hotelmanager Tausenden vor dem mordenden Mob Zuflucht bot. Hollywood hat es als “Hotel Rwanda“ in einem Spielfilm den wir noch nicht gesehen haben verewigt. Doch es ist schon ein wenig spät und wir wollen nicht unbedingt in der Dunkelheit zu Fuss unterwegs sein. So kehren wir zu Obelix zurück und kümmern uns um unser Abendessen. Als letzte Fleischstücke aus Bujumbura haben wir noch zwei Entrecôtes im Kühlschrank die heute in die Bratpfanne wandern. Dazu gibt es Nudeln und selbstgemachte Kräuterbutter und wie üblich etwas Tomatensalat. Wir versuchen nicht sehr erfolgreich früh zu Bett zu gehen, denn morgen um sieben Uhr öffnet die Garage neben der wir stehen ihre Pforte.

Montag, 08.11.2010 – Kigali

Wir schlafen gut und sind erstaunt, dass es mitten in der Stadt überhaupt so ruhig sein kann. Natürlich dauert die Ruhe nicht ewig, sondern spätestens um sieben Uhr erwacht der Parkplatz auf dem wir stehen zum Leben. Heute wollen wir ein paar Sachen erledigen. Nach dem Frühstück gehen wir wieder zum UTC-Shoppingcenter, denn dort ist auch das Bourbon Café. Hier soll es gratis Wi-Fi gegen Konsumation geben. Gegen einen feinen Kaffee haben wir natürlich nichts, aber ins Internet kommen wir einfach nicht. Als wir fragen an was es liegen könnte erhalten wir die ernüchternde Antwort, dass das Wi-Fi nicht funktioniere. Ja super, das ist ja schon fast so etwas wie unlauterer Wettbewerb und so gut war der Kaffee auch wieder nicht. Wir finden dann ganz in der Nähe einen in einer Garage eingerichteten Internetschuppen in dem wir unseren Laptop ans LAN hängen dürfen. Die Verbindung ist nicht schlecht und eine Stunde kostet noch nicht einmal einen Franken. Um stundenlang zu surfen haben wir aber keine Zeit und wir bringen den Laptop zurück ins MGD. Wir steigen ein zweites Mal hinauf zum UTC, diesmal um im Supermarkt einzukaufen. Schwer bepackt trotten dann die komischen Wazungus die zu Fuss unterwegs sind heute ein letztes Mal über die Place de l’Unité Nationale zur Sainte Famille hinunter. Die Kirche betreibt auch einen kleinen Supermarkt und einen Gemüseladen, dessen schönem Blumenkohl wir nicht widerstehen können. Allerdings sind die Preise dort um einiges höher als auf dem Markt, wie wir beim Kauf von kleinen Bananen feststellen müssen. Über Kigali zieht gerade ein Gewitter auf das vor allem Staub aufwirbelt. Der Regen kommt dann erst einiges später in der Form einer Art Landregen, ähnlich wie wir es in Hanika erlebten. So haben wir keine grosse Lust mehr einen Fuss vor unsere Wohnung zu setzen. Es wird auch langsam Zeit sich ums Essen zu kümmern. Vom Fleisch in der Metzgerei des grossen Supermarktes konnte uns nichts wirklich begeistern und so darf der Blumenkohl für ein Curry “Milange“ herhalten. Er ergibt so viel Gemüse, dass nach dem Garen gleich die Hälfte davon für einen schnellen Znacht morgen oder übermorgen in den Kühlschrank wandert.

Dienstag, 09.11.2010 – Kigali

Wir verbringen wieder eine ruhige Nacht und es ist angenehm kühl nach dem abendlichen Regen. Nach etlichem Palaver, das in einer Viertelstunde drei Personen der Kirchgemeinde beschäftigt, dürfen wir schliesslich gratis unsere ziemlich leeren Wassertanks auffüllen. Wir lassen Obelix auf dem Parkplatz stehen und nehmen uns ein Taxi um zum Genozidmuseum im Stadtteil Gisozi zu fahren. Der Eintritt ist frei, dafür kostet die Miete eines kleinen Audiogerätes das durch die Ausstellung führt 7’500 ruandische Franc oder gut 10 Schweizer Franken. Es ginge zwar auch ohne wie wir später feststellen, aber wir betrachten das als unseren Beitrag an dieses hervorragende Museum. Wie wir schon in Great Zimbabwe feststellen konnten ist eine solche Ausstellung in Afrika nie frei von gewissen Interessen, speziell der Leute die gerade an der Macht sind. So wird hier die zumindest fragliche These vertreten, dass Hutus und Tutsis in Ruandas vorkolonialer Zeit friedlich miteinander zusammenlebten und damit die Kolonialherren Deutschland und Belgien mehr oder weniger die Schuld am Genozid trügen. Wie dem auch sei, der Völkermord den die Hutus an den Tutsis und gemässigten Hutus begingen ist ein Faktum das keinerlei Raum für Interpretationen lässt. Die Ausstellung führt chronologisch durch die Zeit vor, während und nach den Ereignissen vom Frühling 1994. Zu denken gab uns: Der europäische Kommandant der UNO-Truppen im Land sah die Anzeichen des aufkommenden Sturmes und bettelte darum eingreifen zu dürfen. Er blieb aber gehorchender Soldat genug um nach abschlägigem Entscheid Gewehr bei Fuss dem Gemetzel seinen Lauf zu lassen. Die ausländischen Truppen die nach dem Beginn des Mordens rasch ins Land kamen um die weissen Bewohner von Ruanda zu evakuieren hätten bei weitem genügt um das Blutbad zu stoppen. Statt dessen verloren innert dreier Monate bis zu einer Million Menschen ihr Leben. In diesem Teil der Ausstellung werden ziemlich heftig Bilder präsentiert, darunter eines das eine Kirche zeigt deren Boden über und über mit Leichen bedeckt ist. Wir denken sofort an die Kirche in Kibuye die wir besucht haben, auch wenn die Aufnahme in Wirklichkeit aus der Umgebung von Kigali stammt. Aber genau so muss es auch in Kibuye ausgesehen haben. Der bewegendste Teil der Ausstellung, der wohl auch die kälteste Seele nicht unberührt lassen kann, ist den Kindern, “der weggeworfenen Zukunft des Landes“, gewidmet. Man steht vor einem lebensgrossen Bild eines Kindes und kann auf einer Tafel dazu neben anderen Dingen wie seinem Lieblingsessen lesen, wie es umgebracht wurde: An eine Mauer geschmettert; mit der Machete zerhackt... Entgegen der vorgesehen Reihenfolge besuchen wir die verschiedenen Gärten ausserhalb des Ausstellungsgebäudes erst anschliessend. Das ist nach den bedrückenden Momenten mit den Kindern eine jedermann zu empfehlende Alternative um die Gedanken in etwas ruhigere Bahnen zu lenken. Ebenfalls auf dem Gelände befinden sich unter grossen Betonplatten liegende Massengräber in die die Gebeine von bisher einer Viertelmillion Opfern aus dem ganzen Land gebettet worden sind. Das kleine Audiogerät veranschlagt für den Rundgang durch die Ausstellung und die Gärten fünfzig Minuten, wir haben dafür fast vier Stunden benötigt. Als wir aus dem Museum kommen steht weit und breit kein Taxi das uns wieder zurückbringen könnte. Und Töff-Taxis die auf der nahen Strasse zirkulieren kommen für Isabella wegen des Helmes für den Fahrgast, den tatsächlich jeder Fahrer mitführt, nicht in Frage. So marschieren wir den ganzen Weg meist bergauf zurück ins Stadtzentrum. Wir holen den Besuch des Hotel des Milles Collines nach und genehmigen uns dort ein dem internationalen Standart des Betriebes entsprechend ziemlich teures Bier. Alle Zeichen stehen auf normaler Hotelbetrieb und nichts deutet darauf hin, dass sich hier einmal ein Flüchtlingsdrama abgespielt hat, und dass der Swimmingpool damals als Trinkwasserspeicher für die Zufluchtsuchenden diente. Zurück zu unserem MGD ist es nun nicht mehr weit und wir gehen im Centre d’ acceuil duschen. Oder so ähnlich, denn das Wasser spritzt nach allen Seiten, aber aus dem Duschkopf selber kommt praktisch nichts. So “duscht“ dann Thomas unter dem Wasserhahn der Mischbatterie, die knapp einen Meter über dem Boden montiert ist. Sollte er morgen Muskelkater haben, dann ist es nicht vom Marsch durch die Stadt, sondern garantiert vom Duschen... Im Supermarkt haben wir kleine, vakuumverpackte Cervelats aus Kenia entdeckt die wir mittels eines Wurst-/Käsesalates sofort auf ihre Tauglichkeit prüfen. Wir sind zuerst skeptisch, müssen dann aber überrascht feststellen, dass sie sogar besser als die aus der Metzgerei in Bujumbura sind. So kommen wir unerwarteterweise schon zum zweiten Mal innert kurzer Zeit zu einem richtigen “Schweizer-Znacht“. Heute verbringen wir unsere tausendste Nacht auf dem afrikanischen Kontinent, ein guter Grund um mit einem Glas anzustossen. Aber Thomas findet sehr zum Verdruss von Isabella keine Zeit dazu.

Mittwoch, 10.11.2010 – Gisenyi

Heute wollen wir noch einmal an den Kivusee um dort vielleicht noch zwei, drei Tage zu verbringen bevor unser Ruandavisum ausläuft. Wir kaufen im Gemüseladen nochmals einen Blumenkohl und eine riesige Zucchetti, die erste seit Ewigkeiten. Und natürlich müssen wir noch schnell im grossen Supermarkt vorbei um ein paar Packungen Cervelats zu bunkern. Dann geht es wieder stadtauswärts und nach wenigen Kilometern biegen wir in eine stark ansteigende, nordwestwärts führende Teerstrasse ein. Sie führt zuerst durch bewaldetes “Niemandsland“ bevor wir auf rund 2’000m wie gewohnt auf die besiedelten und bebauten Hügel treffen. Schliesslich landen wir in einem Hochtal, das flächendeckend mit Stangenbohnen bepflanzt ist, und dies Kilometer über Kilometer. Die Strasse ist etwas löchrig, aber die Chinesen sind bereits dabei den Belag zu erneuern, wovon wir sogar ein kurzes Stück geniessen dürfen. Etwas vor Ruhengeri, das heute Musanze heisst, erblicken wir zum ersten Mal einige der Kegel der zahlreichen Vulkane im Grenzgebiet zwischen Ruanda, Uganda und der Demokratischen Republik Kongo, die Heimat der seltenen Berggorillas sind. Für 500 US-Dollar pro Person kann man die Menschenaffen hier besuchen. Das ist uns a) zu teuer und b) haben wir Gorillas ja schon im Kongo gesehen. Deshalb nehmen wir die Strasse die dem mit 4’500m höchsten Berg Ruandas, dem Vulkan Karisimbi entlang nach Gisenyi an den Kivusee führt. Das Wetter ist heute ziemlich feucht, wir fahren von einem Schauer in den nächsten. Vom höchsten Punkt auf diesem Teilstück einige Kilometer vor Gisenyi müssen wir ziemlich genau 1’000m absinken. Leider ist die Aussicht auf den See wegen des Wetters nicht berauschend. Wir fahren durch Gisenyi, das direkt an der Grenze zur D.R.Kongo liegt, hindurch, einige Kilometer dem See entlang bis nach Rubona. Dort steht die grösste Brauerei in Ruanda, die mit Methangas aus dem See betrieben wird. Dort findet sich aber auch ein kleines Hotel Namens Paradis Malahide, auf dessen Parkplatz man campieren können soll. Der Parkplatz ist aber nicht unbedingt riesig, wird gerade mit Vulkangestein neu gekiest und dazu droht ein Gewitter seine nasse Fracht über uns abzuladen. Zudem sollen wir noch 25 Franken bezahlen um eine kalte Dusche benützen zu können. Keine sehr einladende Umstände. Wir beschliessen zumindest eine Nacht zu bleiben wenn uns mit dem Preis entgegengekommen wird, was auch tatsächlich passiert. Wir warten bis der Regen vorbei ist und besichtigen so erst kurz vor dem Eindunkeln die Anlage des kleinen Hotels. Es ist samt kleinem Sandstrand wirklich toll am See gelegen und der Garten ist eine Augenweide für sich. Wir verziehen uns dann trotzdem ins MGD um etwas zu essen. Wir haben ja noch Gemüsecurry von vorgestern im Kühlschrank das wir heute zur Abwechslung mit Teigwaren geniessen. Thomas kriegt heute nochmals eine Chance, denn man kann ja schliesslich auch die 1001. Nacht in Afrika feiern. Allerdings kämpft heute Isabella bereits nach dem ersten Schluck Schämpis mit dem Schlaf...

Donnerstag, 11.11.2010 – Gisenyi

Wir schlafen gut, es ist ruhig bis am Morgen die ersten Autos auf dem neuen Belag knirschen. Na dann stehen wir halt auf, denn wir wollten eh mal schauen, ob sich von den vielen Vögeln die wir bereits gehört haben auch einige im vielversprechenden Garten finden lassen. Jetzt bei schönstem Wetter ist der farbige Garten eine Pracht und tatsächlich entdecken wir unzählige, verschiedene Vögel die uns teilweise schon fast frech um die Ohren fliegen. Am aktivsten sind die Sunbirds, von denen ein Paar gerade mit dem Nestbau beschäftigt ist. Aber auch ein Raubvogel scheint samt seinem Nachwuchs auf einem Baum sein Quartier zu haben und dort entdecken wir auch einen Pied Kingfisher. Nach einer Stunde und Dutzenden von Fotos ist’s genug und wir haben uns einen Kaffee verdient. Damit wir nicht aus der Übung kommen verbringen wir auch noch einige Minuten hinter den Laptops. Aus Kigali haben wir noch ziemlich viel, weil gutes, dunkles Brot dabei. Da bietet es sich an am Mittag wieder einmal ein kaltes Plättchen aufzufahren. Heute ist es stark italienisch geprägt, denn wir haben richtigen Salami Tipo Napoli und Pomodori Secchi, beides Importware aus Bella Italia. Einzig der Käse stammt aus Südafrika. Am Nachmittag gibt es einen kleinen Schauer der allerdings noch nicht die grosse Abkühlung bringt. Später allerdings, als wir uns auf ein Bier in den Garten am See setzen ist es stark bewölkt und deutlich angenehmer als davor im über 33 Grad warmen MGD. Auch jetzt wissen wir nicht wohin wir den Kopf drehen sollen, denn rundherum zwitschert und flattert es. Wegen der fehlenden Sonne sind die Fotografiermöglichkeiten leider etwas eingeschränkt. Als es einzudunkeln beginnt verziehen wir uns wieder in MGD. Die riesige Zucchetti ruft geradezu danach ein Rezept aufleben zu lassen, das wir in der Schweiz oft gemacht hatten: Ein Gratin nach provenzalischer Art. Allerdings ändert es Isabella etwas ab, in dem der Gratin nicht in den Ofen wandert, sondern in der Pfanne fertig gart. Das erweist sich als äusserst praktisch, denn so heizen wir unsere Wohnung nicht unnötig auf und Thomas muss die Auflaufform nicht abwaschen. Und dem feinen Genuss tut diese Win-win-Änderung auch keinen Abbruch.

Freitag, 12.11.2010 – Gisenyi

Heute morgen ist Isabella früher als Thomas auf den Beinen, der allerdings auch später schlafen gegangen ist. Sie schnappt sich Fernglas und Kamera und setzt sich wie gestern in den Garten wo auch schon einiges los ist. Bis auch Thomas dort ankommt hat sie längst ein paar Dutzend Bilder von Vögeln geschossen. Neben drei oder vier Arten von Nektarvögeln gibt’s auch drei verschiedene Webervögel zu sehen. Dazu kommen Wittwenstelzen, Mausvögel, Graukopfspatzen, Kanarienvögel und, und, und. Es ist herrlich. Statt zurück ins MGD zu gehen um endlich einen Kaffee zu trinken lassen wir ihn uns im Garten servieren. Die überaus nette Chefin der Lodge, die jeden Tag in einem anderen wunderschönen, farbigen Kleid mit passendem Kopftuch und Schmuck dazu ihr Kleinod dirigiert, bringt uns noch zwei Crêpes und einen frischen Fruchtsalat mit der Bemerkung, dass dies gratis sei. Als wir gegen Mittag die Kaffeekanne geleert haben ist es langsam auch Zeit etwas Handfesteres in den Magen zu bekommen. Heute halten wir uns an das klassische Konfibrot, doch als wir ein neues, süsses Glas aufmachen glotzt uns ein Schimmelpilz entgegen. Die Konfitüre haben wir auf der Irente Farm in den tansanischen Usambarabergen gekauft und es ist nach dem Tilsiterkäse und zwei Quark bereits das vierte Produkt von dort das wir wegen Schimmel wegwerfen müssen. Uns scheint, dass sie in der Produktion wohl ein Hygieneproblem haben und man sollte dort nur soviel kaufen wie man innert Kürze verzehren kann, auch wenn die angebotenen Dinge noch so zum Grosseinkauf verlocken. Heute haben wir uns fest vorgenommen den PC links liegen zu lassen, aber die vielen Fotos der Vögel von heute morgen wollen wir uns dann doch noch am Bildschirm zu Gemüte führen. Ab Mittag beginnt sich der Himmel wieder zu bewölken auch wenn wir vom Regen noch verschont werden. Wir gehen trotzdem noch auf einen Schwumm in den angenehm temperierten See der fast spiegelglatt ist. Dann ist wieder einmal eine Kübeldusche angesagt. Das ist ja bekanntermassen nicht gerade unser Ding, aber immerhin hat man uns einen Kübel heisses Wasser hingestellt. Da wir an einem See sind wollen wir wieder einmal Fisch essen, auch wenn der Barsch den wir im Restaurant bestellen mit weit grösserer Wahrscheinlichkeit aus einer der zahlreichen Zuchten im Land stammt. Zum Apéro genehmigen wir uns im Garten ein Bier das wir aber schon bald vor den ersten Tropfen des nahenden Gewitters in Sicherheit bringen müssen. Da es recht frisch geworden ist bringt man uns sogar eine Schale mit glühender Holzkohle um uns daran etwas zu wärmen. Die Fische die man uns auftischt begeistern uns dann weniger als das ansonsten wunderbare Hotel. Dafür gibt es sozusagen als Dessert noch eine richtig schöne touristische Tanzeinlage von Intore-Tänzern die den traditionellen Tanz von Ruanda und Burundi aufführen. Als wir uns wieder ins MGD verschieben regnet es ausdauernd, was es noch den ganzen restlichen Abend tut.

Samstag, 13.11.2010 – Kisoro

In der Nacht hört der Regen zwar auf, aber auch am Morgen hören wir immer wieder ein paar Tropfen aufs MGD-Dach fallen. Als wir aufstehen ist die Sonne für einmal nirgends zu sehen, es ist ziemlich grau. Wir frühstücken und packen zusammen, denn heute läuft unser Ruandavisum aus und wir müssen das Land verlassen. Das schlechte Wetter bleibt uns leider erhalten und wir fahren immer wieder durch Regen. Wegen der tiefhängenden Wolkenfetzen fühlt es sich fast wie an einem Novembertag in der Schweiz an. Schade, denn so können wir von den Virunga-Vulkanen die die Strasse säumen leider nichts sehen. In Musanze verwandeln wir unsere restlichen ruandischen Franc in Diesel. Es ergibt nicht sehr viel, denn in Ruanda ist der Most seit Malawi weitaus der teuerste. Die letzten Kilometer zur Grenze verlaufen auf einer älteren, schmalen Strasse die recht eng ist weil viele Leute und Velotransporteure unterwegs sind. Dreihundert Meter vor der Landesgrenze hält uns tatsächlich noch die erste, einzige und letzte Polizeikontrolle in Ruanda mit der eher dämlichen Frage, wohin wir fahren würden, an. Na ja, vielleicht hätten wir einfach langsam daran vorbeifahren sollen, aber Thomas ist ja nicht so. Den Führerausweis erkennt der Polizist als bisher einziger in Afrika sofort als Kopie und verlangt nach dem Original. Damit beginnt bei uns erst einmal die Suche die Isabella in verdankenswerter Weise übernimmt. Inzwischen will der Polizist alle möglichen anderen Papiere sehen die wir glücklicherweise gleich zur Hand haben. Schliesslich können wir ihm das gewünschte Kärtchen zeigen und wir dürfen, da wir uns ja nichts zu Schulden haben kommen lassen, weiterfahren. Diesen mühsamen Abschluss hätten wir eigentlich nicht mehr gebraucht. Die Ausreise aus Ruanda erfolgt dann innert 25 Minuten und ohne Probleme. Unmittelbar nach dem ruandischen Schlagbaum hört der Teer auf.

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