KongoDR

Samstag, 25.10.2008 – Kinshasa

Gedränge auf der Fähre Als wir in Brazzaville kurz nach vier Uhr ablegen ist der Kahn voll, voll, voll. Links und recht von uns stehen die Behinderten-Dreiräder, beladen mit der Menge Güter eines Lieferwagens, und an den Seiten türmen sich Säcke von Waren, so dass für die Leute kaum mehr Platz bleibt. Trotzdem tummeln sich auf den wenigen Metern vor uns sicher hundert Personen, und wir schätzen, dass auf der ganzen Fähre ein-, zweitausend Passagiere sind. Neben uns steht auf einigen Säcken ein Invaliden-Rad, dessen Lenker immer wieder gegen die Türe unseres MGDs schlägt. Das Objekt des Zwists ist im Rückspiegel knapp zu sehen Isabella ist darüber gar nicht glücklich und sie fordert vom Fahrerhaus aus die Leute darum herum dazu auf, das Rad etwas zu verschieben. Als ihre Worte auf Taube Ohren stossen, versucht sie vom hinteren Fenster aus selbst für Abstand zu sorgen. Jetzt schlägt ihr eine feindliche Reaktion entgegen und im anschliessenden Wortgefecht wird sie von Dutzenden Leuten ausgebuht. Thomas ist nicht gerade erfreut darüber, dass sie die ganze Fähre gegen uns aufbringt und sie ist es genau so wenig von seiner mangelnden Unterstützung. Nach 50 Minuten Fahrt auf dem Kongo legen wir an der “Beach“ von Kinshasa an. Sofort kommen Uniformierte aufs Schiff um für eine gewisse Ordnung beim Entladen der Fähre zu sorgen. Sie scheuen sich nicht davor, mit ihren Stricken dreinzuschlagen um ihre Autorität durchzusetzen. Ein Zöllner kommt zum Fahrzeug, verlangt nach Pass und Carnet und verschwindet mit beidem von der Fähre, auf der wir immer noch stehen. Schliesslich dürfen wir nach 40 Minuten aufs Zollgelände fahren, wo wir bei einem Geldwechsler gleich unsere vorigen CFA und einige US-Dollars zu Kongolesischen Francs machen können. Nach nicht allzu langer Zeit kommt der Typ mit unseren Pässen und fragt uns, wo wir denn jetzt hinfahren wollten. Wir antworten mit der Gegenfrage, ob wir hier auf dem Gelände übernachten dürften. Er muss erst seinen Chef fragen, und der scheint einverstanden zu sein. Dann folgt die Fahrzeugkontrolle durch den Zoll, oder wen auch immer, auf jeden Fall stürzen sich gleich zwei Uniformierte ins Fahrzeuginnere um einen neugierigen Augenschein zu nehmen. Inzwischen hat sich vor dem MGD Eingang eine Traube von Neugierigen versammelt und nachdem die zwei Beamten zufrieden unser Haus wieder verlassen haben wollen schon die nächsten zwei hinein. Wir beschweren uns, dass hier keine Besichtigung für jedermann stattfinde, aber die zwei Typen in Zivil lassen sich nicht beirren. Der eine von ihnen ist ein besonders ekliger Kontrolleur wie wir ihn schon lange nicht mehr erlebt haben. Er ist der Erste auf dieser Reise, der einen Blick hinter den Vorhang auf das Bett werfen und auch das Bad sehen will. Im Bad hebt er sogar den Klodeckel an; was er da wohl sucht? Danach müssen noch alle Schränke und Schubladen geöffnet werden und Isabella zeigt ihm demonstrativ und indigniert ihre Unterhosen, doch der Typ scheint von seiner Aufgabe besessen zu sein. Draussen geht das Spiel bei den Stauräumen weiter und auch die Garage mit Asterix wollen sie sehen. Wir machen schön langsam was sie wollen, denn der Faktor Zeit ist auf unserer Seite. Tatsächlich drückt uns nach einer guten halben Stunde ein Uniformierter Carnet und Pässe in die Hände und plötzlich heisst es, sehr zum Unwillen des Durchsuchungswütigen, wir könnten den Hafen verlassen. Eigentlich wollen wir das ja gar nicht, aber plötzlich müssen wir den Hafen verlassen. Offensichtlich sind alle Leute von der Fähre abgefertigt und alle wollen nur noch nach Hause. Isabella hat derweil festgestellt, dass unsere Carnets nicht korrekt ausgefüllt und gestempelt sind. Wir verlangen, dass das nachgeholt wird, aber man will uns nur noch vom Gelände haben. Es folgt eine hitzige Diskussion mit einigen Unformierten, denn wir weigern uns schlicht ohne gültige Papiere loszufahren. Schliesslich wird doch noch ein Verantwortlicher aus einem Auto geholt, der unter grossem Wehklagen, wie sehr er sich in seinem Feierabend gestört fühlt, ein Büro aufschliesst und unter Thomas’ Anleitung Daten und Stempel setzt. Rund anderthalb Stunden nach der Ankunft der Fähre in Kinshasa haben wir den Zirkus also geschafft, wir fahren los. Dies ist wohl das “Glück“ der verpassten ersten Fähre und die Gunst der späten Ankunft. Erspart bleibt uns auch ein desinfizierendes Absprühen des Fahrzeuges durch das Gesundheitsamt, von dem wir von anderen Reisenden gehört haben und das wieder ganz schön ist Geld gegangen wäre. Alles schön und gut, aber jetzt erwartet uns “Kinshasa by night“, und das alles ohne Stadtplan. Zum Glück haben wir Koordinaten der evangelischen Mission, die nicht weit entfernt liegt. Wir steuern sie mit Hilfe des GPS an und finden sie auch, aber erst im dritten Anlauf den Eingang zum Centre d’acceuil, dem Gästehaus, wo wir uns auf den Parkplatz im Gelände stellen können. Es ist kurz vor sieben Uhr und wir sind nach diesem intensiven Tag total geschafft, obwohl wir nur sechs Kilometer gefahren sind. Wir nehmen noch eine Dusche im uns zugewiesenen Zimmer um das herausgeschwitzte Salz von der Haut zu waschen und lassen uns dabei von den grossen Kakerlaken, die aus dem Duschsiphon klettern, nicht gross stören. Essen, bzw. kochen mögen wir gerade noch ein Knorr Tomatensüppchen und dann wollen wir nur noch eines: Schlafen!

Sonntag, 26.10.2008 – Kisantu

Freiluft-Glotze Nach einer Nacht im Tiefschlaf, kein Wunder nach dem gestrigen Tag, werden wir durch allerlei Aktivitäten draussen geweckt. Gut gesicherte Grundstücke Unser Standplatz gleich bei der Einfahrt und neben der Rezeption ist natürlich der verkehrsreichste im “Centre d’ acceuil“ und die Wachmänner sitzen bereits wieder vor dem auf grosse Lautstärke gestellten Fernseher, den sie draussen aufgestellt haben. Wir laben uns, da Sonntag, wieder einmal an Rühreiern und nehmen es gemütlich. Es ist bereits Mittag vorbei als wir uns in das Strassengewirr Kinshasas stürzen, aber dank GPS und digitalisierter Karten auf dem Laptop finden wir den Weg aus der Stadt ohne Probleme. Wohnhaus in Kinshasa Wir fahren an vielen stark gesicherten Gebäudekomplexen von irgendwelchen UN- und sonstigen Organisationen vorbei, aber sonst macht die Stadt einen ganz normalen Eindruck, mit vielen Geschäften, Bäckereien und mehrstöckigen Gebäuden, in denen wir allerdings nicht unbedingt wohnen möchten. Dank Wochenende herrscht wenig Verkehr und erst in den Vorstädten, bei den Busbahnhöfen und Märkten, entsteht ab und zu ein kleiner Stau. Auf einem Markt machen wir wieder einen Grosseinkauf, denn das Angebot ist so vielfältig, dass wir zum ersten Mal seit langem sogar wieder Zucchetti kaufen können. Zwischen Kinshasa und Kasangulu Die weitere Fahrt führt uns weg vom Kongo-Fluss auf eine wellige Hochebene, auf der die Strasse meist in aussichtsreicher Lage verläuft. Die Landschaft selbst sieht recht intensiv genutzt aus, ist von daher keine grosse Augenweide. In Kisantu suchen wir die katholische Mission auf. Gewittrige Abendstimmung im riesiegen Gelände der Mission von Kisantu Diese liegt auf einem Hügel und umfasst ein riesiges Gelände auf dem eine imposante, überdimensioniert scheinende Kirche steht. Wir dürfen hier Übernachten, aber das Ansinnen scheitert wieder einmal an einem Beton-Torbogen, der für unser MGD nicht hoch genug ist. Man findet dann in einer anderen Ecke des Geländes einen gemauerten Hof, in dem einige Fahrzeuge der Mission stehen, wo wir uns hinstellen können. Hier wohnen einige Priester und wir können die Dusche in einem zum Abstellplatz umfunktionierten Zimmer benützen. Inzwischen neigt sich der Tag seinem Ende entgegen und wir kochen uns aus dem grossen Stück Rindfleisch, das wir in Brazzaville gekauft haben ein Voressen “M’hamid“. Für einmal haben wir wieder alle Zutaten für das Original-Rezept aus Marokko und es schmeckt richtig fein.

Montag, 27.10.2008 – Kisantu

Heute wollten wir eigentlich den in Brazzaville sausen gelassenen Waschtag nachholen. Aber es kommt wie es kommen musste, um acht Uhr beginnt es intensiv zu regnen. Wir können es also, einmal mehr, gemütlich nehmen, denn zum Weiterfahren sind wir auch nicht aufgelegt. Statt dessen macht Isabella aus den gestern in Kinshasa gekauften Ananas-Mangos, die leider noch nicht so richtig reif sind, und mit etwas Ingwer vier Gläser Konfitüre. Thomas macht sich dann ans Aufräumen in der Küche und nach dem Verzehr algerischer Datteln und einiger Kokosmakrönchen mit Kaffee ist, nachdem der Regen aufgehört hat, doch noch eine Runde waschen angesagt. Die Wäsche trocknet aber in den drei Stunden bis zum Sonnenuntergang so gut wie überhaupt nicht und muss darum in unser MGD gezügelt werden. Während des “nicht-trocknens“ verarbeiten wir den Rest des Fleisches zu Hack und Isabella brät schon mal die Hackplätzchen für morgen. Thomas geht derweil in die zweite Runde Küche aufräumen. Nach der obligaten Dusche ist auch schon wieder das Nachtessen angesagt. Und was macht die Küchenchefin wohl aus dem anderen Teil Hackfleisch? Als Tipp sei verraten: Hörnli gehören dazu... Da aller guten Dinge drei sind gibt Thomas nochmals den Casserolier, in verdankenswerter Weise unterstützt durch Isabella.

Dienstag, 28.10.2008 – Songololo

Auch in der Demokratischen Republik Kongo gibt es Fahrschulen Als wir uns zur Abfahrt bereit machen beginnt es wieder einmal zu regnen. Als sich Thomas mit einer Spende für die Gemeinde verabschieden geht und dabei erwähnt, dass wir bis Songololo fahren wollen bevor wir dort dann die Grenze nach Angola überschreiten, wird sofort per Handy die dortige Mission von unserem Kommen informiert. Typisches Brot: In der Mitte aufgeblasene Baguettes Ausserdem erhalten wir noch interessante Informationen bezüglich der Strecke in Angola, die für uns immer noch ein bisschen ein Fragezeichen ist. Die meisten Overlander fahren von Matadi an die Küste bei N’Zeto und dann südwärts in die angolanische Hauptstadt. Eine zweite Variante ist die Grenze südlich von Songololo zu überqueren, nach M’Banza-Congo zu fahren und dann ebenfalls den Weg an die Küste einzuschlagen. Es soll aber von M’Banza-Congo noch einen direkten Weg nach Luanda geben, der auch nicht in schlechtem Zustand zu sein scheint. Gepflegte Gemüsegärten Auf jeden Fall ist wieder Pisten fahren angesagt. Wir werden sehen... Wir fahren los und kaufen im Ort noch vier der eigentümlich geformten Brote. Dann geht die Fahrt weiter über die hügelige Hochebene an viel kuliviertem Land vorbei. Gut erhaltene Metallhäuser auf Stelzen in Mbanza-Ngungu Am Rand der kleinen Städte liegen tadellos gepflegte Gemüsegärten mit Beeten in Reih und Glied. In Mbanza-Ngungu sehen wir viele gleiche auf Stelzen stehende Häuser aus einer Metallkonstruktion, die wohl noch aus der Kolonialzeit stammen. Sogar Hausnummern sind an ihnen angebracht. Kurz danach werden wir auf der Strasse aufgefordert, langsamer zu fahren. Es stehen einige Fahrzeuge, darunter ein Krankenwagen, und Leute am Strassenrand. Rechts ist deutlich eine Schneise zu sehen durch die sich gerade drei Polizisten anschicken, den steilen Abhang hinunter zu klettern. Unten liegt ein Sattelschlepper, der auf halbem Weg seinen Container verloren hat. Ackerbau bei Lukala, im Hintergrund hohe Hügelkette Wir haben Mühe uns vorzustellen, wie man an dieser Stelle von der Strasse abkommen kann, aber genau das ist offensichtlich vor kurzer Zeit passiert. Viel Fussgängerverkehr auf der Zufahrtspiste nach Songololo: Hurra die Schule ist aus Thomas fährt nochmals einen Zacken vorsichtiger durch die abwechslungsreiche Landschaft, die sich jetzt auf der rechten Seite mit einer hohen Hügelkette zeigt. Nur schade, dass das Wetter nicht besser ist, auch wenn es inzwischen nicht mehr regnet. In Songololo werden wir von Abbé Grégoire und seinen Kollegen freundlich empfangen und es müssen wieder einmal ein paar Drähte entfernt werden, damit wir durchs Tor kommen und uns auf ein sicheres Plätzchen stellen können. Auch sie machen uns gute Hoffnung bezüglich der Strassen im Norden von Angola. Vor den vergangenen Wahlen habe man die Strecke von M’Banza-Congo Richtung Luanda neu hergerichtet. Am Abend schmausen wir die feinen Hacktätschli mit einer Pfeffersauce. Wahrscheinlich ist es wieder für eine Weile das letzte Fleisch.

Mittwoch, 29.10.2008 – M’Banza-Congo

Obelix: Unser geschütztes Plätzchen in der Mission von Songololo Wie meistens in Missionen ist es wieder nicht weit her mit lange schlafen. Noch in der Dunkelheit wird die Glocke, die nur einige Meter von uns entfernt im Turm hängt, etwa zwei Dutzend Mal geschlagen und um zehn vor sechs gleich noch einmal. Bald darauf wird in der Frühmesse gesungen und so sind wir schon vor sieben auf den Beinen. Für einmal regnet es nicht, was uns angesichts der anstehenden Pistenfahrten willkommen ist. Die Berge im Hintergrund liegen schon in Angola Nachdem wir bereit für die Abfahrt sind, verabschieden wir uns von Abbé Grégoire mit einer kleinen Spende und kaufen an der Kreuzung mit der Strasse nach Matadi nochmals sechs der lustigen Brote. Dort möchte ein Polizist noch ein Abschiedsgeschenk von uns und Isabella erinnert Thomas an den Trick mit dem Gebet, der auch hier wieder wunderbar klappt. Dann geht’s weiter auf der Piste Richtung angolanischer Grenze und der Beginn ist gar nicht so schlecht, abgesehen vom einen oder anderen mit Wasser gefüllten Loch. Löchrige Piste an die Grenze zu Angola Wir benötigen dann für die 11km bis zum Grenzort Lufu aber doch fast eine Stunde. Die Abfertigung durch die Polizei ist etwas langfädig aber problemlos und der junge Zöllner einige hundert Meter weiter strahlt dankbar, dass er unter der Anleitung seines Chefs unsere beiden Carnets bearbeiten darf. Die letzte Schranke der D.R.C. öffnet sich und wir fahren über das Grenzflüsschen auf angolanisches Gebiet. Damit haben wir auch für längere Zeit den französischsprachigen Raum verlassen und müssen uns das erste Mal auf der Reise mit einer Sprache auseinandersetzen, von der wir nur einige wenige Wörter kennen: Portugiesisch.

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